Vortrag „Lesbisches Leben im Alter“ am 11. Mai 2013
Immer noch ein unerwünschtes Thema
Vortrag: Lesbische Frauen im Alter – ein eher unerforschtes Feld – Viele Fragen und Stolpersteine bei Studie
Ältere Frauen haben zumeist gar nicht gelernt, die eigenen Bedürfnisse zu leben.
Norden/ISH – Sie ist Historikerin und sie ist „persönlich betroffen“, wie sie es nennt: Dr. Kirsten Plötz setzt sich intensiv mit dem Leben lesbischer Frauen auseinander. Besonders interessiert sie die Frage nach lesbischem Leben und dem Alter. Entsprechend lautete ihr Vortrag, den sie jetzt im GleichArt Café in Norden gehalten hat: „Lesbisches Leben im Alter“.
Mit ihren Studien und Forschungen hat die Hannoveranerin offensichtlich Neuland betreten. Den Eindruck mussten die wenigen Gäste nach den Ausführungen der Expertin haben. Zahlen, Daten, Fakten, mit denen Plötz arbeiten könnte, gibt es demnach eigentlich überhaupt nicht. Lesbisches Leben ist demnach in weiten Teilen der Gesellschaft kein Thema- und dann noch das Alter dabei – das geht offensichtlich gar nicht. Solche Aspekte hat bisher niemand aufgegriffen – und sie umfassen wohl einen Bereich, den man in weiten Teilen der Wissenschaft lieber ausschließt.
Die Rednerin hat sich mit ihrem Interesse dafür auch selbst, so berichtete sie, zusätzlich ins Abseits gestellt: „Über lesbische Themen zu forschen, ist das Karriereaus.“ In Norden erzählte Plötz von den Ergebnissen einer Interviewreihe, die das Land Niedersachsen vor Jahren gefördert hat. Dabei ging es um Lebenssituationen homosexueller Männer und Frauen. 22 Interviews mit Frauen aus verschiedenen Bereichen hat sie geführt, alle älter als 55 Jahre. Das gewählte Alter sei willkürlich, sagte Plötz. Wer ist wann alt? Was dient als Kriterium? Schon da fing das Problem mit der Datenerhebung an.
Der Abend machte schnell deutlich, dass es unzählige Fragen und auch Stolpersteine im Vorfeld von Untersuchungen geben kann, wenn es keine gesicherten Daten, keine Vergleichszahlen, keine bisherigen Erhebungen, eben keine Fakten gibt. Kirsten Plötz hat Neuland beschnitten.
Manche Frauen sei es schon schwergefallen, sich überhaupt zu äußern, berichtete Plötz auch als Autorin eines Buches zu diesem Thema. „Sie sind es nicht gewohnt, über sich zu reden.“ Dazu gehört auch, dass Frauen früher so erzogen worden seien, ihre eigenen Bedürfnisse nicht zu formulieren. „Was sie wünschten, zählte nicht.“
Nicht wenige der Befragten entdeckten erst im Alter überhaupt ihre Neigung. Dass sie lesbisch veranlagt sein könnten, wollten manche vielleicht auch nicht wahrhaben: „Das war in der Lebensplanung nicht vorgesehen“, zitierte Plötz eine Aussage.
Betroffene fühlten sich bis heute diskriminiert, dabei wollten sie nichts anderes, als als Teil der Normalität anerkannt zu werden“, berichtete die Forscherin, die auch klarmachte, dass man jeden Lebensweg respektieren sollte – egal, ob die Frauen sich entschieden, offen über ihre Veranlagung zu reden oder das verdeckte Leben bevorzugten.
Sie hatte auch Beispiele von früher parat, als es natürlich auch Frauen gab, die mit Frauen zusammenlebten. Wie war es mit den sogenannten „alten Jungfern“, die man bedauerte, weil „sie keinen abgekriegt hatten“?
Viele ältere Frauen hätten große materielle Probleme, machte Plötz deutlich. Gerade in den typischen Frauenberufen werde zu wenig Geld verdient, entsprechen niedrig sei die Rente. Plötz übte in diesem Zusammenhang auch Kritik am System. Das sehe einen Ernährer (Mann) vor an der Seite der Frau.
Diese Situation machte vieles im Alter extrem schwierig, gerade auch, wenn es um die Wohnsituation im Alter gehe. Viele Betroffene wünschten sich bestimmte Wohnprojekte: „Aber keine wohnt dort.“ Das scheitere auch am fehlenden Geld. Altenheime seien in der Gesellschaft insgesamt nicht beliebt, unter lesbisch veranlagten Frauen jedoch erst recht nicht. Dort, sagten sie, hätten sie Angst, ihre Würde zu verlieren. Und die Betreiber der Heime ließen das Thema ohnehin zumeist völlig ins Leere laufen. Plötz´ Erfahrung: Dort werde gern behauptet, lesbische Frauen wohnten nicht bei ihnen. Schulungen zu solchen Fragen werden ihren Erfahrungen nach entsprechend eher nicht besucht.
„Gleichgeschlechtliche Liebe wird eher geduldet als wirklich akzeptiert“, folgerte Plötz und sprach damit aus, was wohl immer noch nicht nur aufs Alter bezogen in unserer Gesellschaft abläuft.
Die Historikerin versucht, Menschen für ihr Thema zu sensibilisieren, wirbt vor allem dafür, sensibler und aufmerksamer zu sein im Umgang miteinander.
Freundlicherweise vom Ostfriesischen Kurier zu Verfügung gestellt.