Fünf Jahre sind 102 Tage GleichArt Café

Jubiläum  Ein Ort, wo Homosexuelle eine Heimat finden und sich nicht erklären müssen

Musik-Kabarettist Holger Edmaier sorgte im zweiten Teil des Abends für gute Unterhaltung.

Norden/ISH – Warmherzig und herzlich, freundlich und aufgeschlossen – so beschrieb Barbara Kleen ihren ersten Besuch in einer Kneipe für Homosexuelle Anfang der 70er-Jahre in Bielefeld. Aber sie wusste auch, wie schwer es diejenigen hatten, die in der Liebe das gleiche Geschlecht bevorzugen. „40 Jahre danach hat sich einiges geändert“, sagte die stellvertretende Bürgermeisterin am Sonnabend bei der Feier des GleichArt Cafés im Hotel Stadt Norden. Kleen gratulierte zum fünften Geburtstag.

Aber auch heute noch gebe es vieles zu verbessern. Noch immer gebe es Vorbehalte, noch immer müssten Menschen um ihre berufliche Karriere fürchten, wenn sie sich outeten. „Es bleibt noch viel zu tun, damit es normal wird“, sagte Kleen unter dem Beifall der rund 40 Gäste. „Ich gratuliere Timo Rabenstein zu seinem Mut“, ergänzte sie.

Rabenstein hatte das Café gemeinsam mit einem Team am 2. Juni 2008 erstmals geöffnet, zunächst noch in den Räumlichkeiten der Ludgeri-Kirchengemeinde Am Markt. Beim Start hätten Elke Kirsten, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, und Klaas Grensemann, damals Jugenddiakon, besonders geholfen, bedankte sich der Initiator des GleichArt Cafés bei den Unterstützern. Inzwischen ist das GleichArt Café an den heutigen Treffpunkt, das Jugendhaus an der Parkstraße, umgezogen.

102 Tage habe man seitdem geöffnet gehabt, 1200 Gäste hätten das Café besucht, zog Rabenstein eine Bilanz. Mithilfe des Landes habe man Bücherpakete organisiert für die Bücherei, Lesungen, Vorträge, eine Ausstellung angeboten und ein Projekt zusammen mit dem Filmclub organisiert. „Die Angebote sind über die Jahre gewachsen“, sagte Rabenstein, der nicht verhehlte, dass das Orgateam viel freie Zeit opfern muss, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Dieses Ehrenamt lobten Hans Hengelein, Schwulenreferent des Landes Niedersachsen, und Thomas Wilde, Geschäftsführer des Schwulen Forum Niedersachsen, nachdrücklich. „Ihr könnt stolz sein auf das bisher Erreichte“, sagte  Hengelein, es sei wichtig, sich zu engagieren und Zivilcourage zu zeigen. Auch wenn jetzt die steuerliche Gleichbehandlung von Homosexuellen noch vor der Sommerpause des Parlaments kommen solle, bleibe doch noch viel zu tun. „Man muss über den Tellerrand hinausblicken“, richtete Hengelein seine Aufmerksamkeit auf Europa. Er verwies auf Frankreich und Russland, wo Homosexuelle immer noch mit Repressalien zu kämpfen haben und gleichgeschlechtliche Ehen von Teilen der Bevölkerung, in Russland auch von der Regierung abgelehnt werden.

Auch Thomas Wilde machte klar, dass allein schon in Deutschland noch viel zu tun bleibt, um rechtliche Vorgaben, nämlich die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und festen Partnerschaften, auch zu leben und in der Gesellschaft zu verankern. Es sei noch gar nicht so lange her, dass homosexuelle Partnerschaften verboten gewesen seien. „Die Folgen sind heute noch zu finden.“ Es gebe viele Unsicherheiten und Ängste. „Wie reagieren Eltern und Freunde?“. Wilde machte klar, wie wichtig ein Ort ist für Homosexuelle, an dem sie unter sich sein können. „Hier sind sie in der Mehrheit, hier finden sie eine Heimat, wo man sich nicht erklären muss.“ Hier sei Begegnung und Beratung möglich.

Der zweite Teil des Abends gehörte Holger Edmaier. Der Kölner Musik-Kabarettist präsentierte einen Auszug aus seinen Programmen und sorgte für beste Unterhaltung bei den Zuhörern. Er konnte richtig bissig sein, nahm alles rund ums Thema Bio richtig aufs Korn, um im nächsten Moment ganz sanft und poetisch zu werden. So philosophierte er fast ein bisschen bösartig über die Scheibe Kinderwurst an der Wursttheke („Kinderwurst wird nicht aus Kindern hergestellt“) aus den Händen der Fleischereifachverkäuferin, die just die Scheibe Mortadella an den „voll kompostierbaren Leibesfruchtzwerg“ einer „Fairtrade-Nahkampfmama“ geben möchte oder zog über den Biobauern aus dem Allgäu her („Allgäu – das Epizentrum der Langeweile“), wo Kuhmist auf die Erdbeeren kommt statt Zucker und Sahne.

Und dann setzt sich Holger Edmaier ans Klavier und lässt das Publikum mitträumen: „Als Kind konnte ich fliegen, heute bin ich erwachsen und zum Fliegen zu schwer“, sing er und „Die Fantasie flog voraus und der Verstand hinterher.“

Rund eine Stunde lang ging es so und ähnlich querbeet durch die verschiedensten Themen, von Europa („28 blaue Kühe versuchen verzweifelt, sich gegenseitig zu melken“) über griechische Götter bis hin zur Liebe einer Glühbirne („ist heute Morgen mit Wolfram durchgebrannt…“).

Zum Schluss präsentierte sich der vielseitige Künstler als „Gogotänzerin aus dem Strip-Lokal“, mit langen glitzernden Ohrringen und hochhackigen knallroten Damenschuhen, ein Spaß am Ende einer guten Stunde Programm, der im Publikum besonders gut ankam.

Freundlicherweise vom Ostfriesischen Kurier zu Verfügung gestellt.