10 Jahre GleichArt Café am 29.06.2018 – Ein geschützter Raum muss sein

GleichArt Café in Norden feiert sein zehnjähriges Bestehen

Timo Rabenstein und sein Team beraten, informieren und haben immer ein offenes Ohr.

NORDEN/ISH – Kabarett zum Geburtstag, genau das sollte es sein. Timo Rabenstein wollte ein buntes Programm für dieses kleine Jubiläum: das GleichArt Café in Norden besteht seit Juni 2018 genau zehn Jahre und hatte aus diesem Anlass Malte Anders in das Norder Teemuseum eingeladen.

Malte Anders ist ein Künstlername. Theaterpädagoge Timo Becker nutzt ihn, um das Thema Homosexualität in Schulklassen auf humorige Art zu vermitteln, Kinder und Jugendliche für das Thema zu öffnen: Wenn man eben „anders“ ist.

Timo Rabenstein hat dieses Thema in Norden öffentlich gemacht und erinnert sich gut an seine eigenen Erfahrungen. Allein zu sein mit seiner sexuellen Orientierung, nicht zu wissen wen man ansprechen kann, mit wem sich austauschen. Damals hat es der Großheider genossen, in Oldenburg eine breite Schwulenszene vorzufinden. Dort fühlte er sich wohl. Und dann wurde er beruflich nach Ostfriesland versetzt, kam nach Norden. Und hier?

Gab es nichts. Das war 2004. Also wurde Rabenstein selbst aktiv. In anderen Orten Ostfrieslands gab es teilweise schon feste Treffpunkte, Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen, gemeinsam etwas zu unternehmen. So etwas sollte, fand Rabenstein, unbedingt auch in Norden möglich sein. Elke Kirsten, sagt Timo Rabenstein, habe diese Idee von Beginn an unterstützt. Die Gleichstellungsbeauftragte ist bis heute eine wichtige Ansprechpartnerin für die Homosexuellen der Stadt. Die Irgendwann aus Privaträumen heraus und sich auch öffentlich bemerkbar machen, vor allem aber anderen einen geschützten Raum, einen Rahmen bieten wollten.

Dafür musste aber mehr her als nur eine Anlaufstelle. Ein Team, ein Konzept, eine Qualifikation… Pastor Martin Specht und der damalige Jugenddiakon Klaas Grensemann, erinnert sich Rabenstein, hätten dann beim Start geholfen.

Entsprechen war das Jugendcafé am Markt die erste Bleibe. Ein Mal im Monat öffnete hier am 02. Juni 2008 zum ersten Mal das GleichArt Café. Ein Fünf-Mann-Team, einer davon Timo Rabenstein, dazu schnell ein Stammpublikum von rund 15 Personen. Angesprochen haben sie von Beginn an beileibe nicht nur Schwule, betont der Gründer. Lesben, Bi-, Trans-, Intersexuelle – jede und jeder sollte eine Möglichkeit haben, hier einen Ort zu finden, wo sie, wo er sich informieren kann, Ansprechpartner, Möglichkeiten, Gleichorientierte kennen lernen, das Herz ausschütten. Oder einfach: da sein und klönen.

Der Bedarf war groß, schon ein Jahr nach dem offiziellen Start wurde der Wunsch nach einem zweiten Abend im Monat laut. Den gab es dann ab November 2009 im Jugendhaus an der Parkstraße.

Hier sind die Mitglieder und Freunde des GleichArt Cafés seit 2011 gänzlich zu Hause. Am jeweils ersten und dritten Montag im Monat öffnen Rabenstein und Mitstreiter ihr Café.

Heute, sagt Rabenstein, hätten durchaus viele kein Problem mehr damit, sich zu outen, die kämen deshalb oft bewusst nicht zu solchen Treffen. Dann tauche auch schon mal die Frage auf: Braucht es das Café noch?

Rabensteins Antwort: unbedingt. Denn immer wieder suchten Menschen gerade diesen geschützten Rahmen. Und auch wer nicht komme, nehme doch die Leistungen oft in Anspruch: Leute wollen Infos, Rat und Hilfe. und dafür steht das Team im GleichArt Café – auch außerhalb der Öffnungszeiten…

Dank sozialer Netzwerke ist längst viel mehr Austausch möglich. Und der, sagt Rabenstein, werde auch intensiv genutzt. „Nicht jeder kann sich outen“, erklärt er, nicht jeder verfüge über das Selbstvertrauen, nicht jeder habe die Unterstützung, die er brauche. Oft wollten auch Angehörige, wollten Eltern wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollten, wie ihren Kindern helfen. Von Angst berichtet Rabenstein – auch der Angst, ins Café zu kommen. Der Schritt, sich öffentlich zu bekennen, ist gerade in der ländlichen Region wie hier immer noch schwer.

Früher seien deshalb viele in die Großstadt gezogen, in die Anonymität, sagt Rabenstein. Seine Intension sei aber immer gewesen, vor Ort eine Anlaufstelle zu bieten. Die ist nun seit zehn Jahren fest etabliert. Rabenstein ist dankbar für die Unterstützung der Stadt, des Netzwerkes für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Niedersachsen, die Hilfe von Elke Kirsten und natürlich für seine Mitstreiter.

Von Beginn an gab es neben dem Cafébetrieb spezielle Aktionen. Bücherkisten in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek, Vorträge, gemeinsam Aktionen wie Boßeln, Bowlen, den Stadtfeststand, die Kooperation mit dem Filmclub und vor allem organisierte Ausflüge zum Beispiel zum CSD nach Oldenburg und Aurich.

Zehn Jahre sind für Rabenstein Ansporn, sich mit seinem Team weiter zu engagieren. Eben um allen, die es brauchen, im offenem Café besagten geschützten Raum zu bieten, den er sich damals selbst hier vor Ort gewünscht hätte. Denn er stellt fest, dass nach einer zunehmend offenen Gesellschaft in den letzten Jahren die Stimmung wieder konservativer geworden ist. „Anfeindungen gibt es bis heute“, sagt Rabenstein und verweist auf die immer noch hohe Suizidrate von Menschen, die sexuelle anders orientiert sind als die meisten.

Was er sich selbst für die Zukunft des GleichArt Cafés wünscht? „Mehr Frauen“, sagt er sofort, Lesben hätten gern Ansprechpartnerinnen im Café. Überhaupt hätte er nichts dagegen, wenn er und seine aktiven Mitstreiter Ingo Gummels und Torsten Ideus hier und da eine helfende Hand mehr bekämen. „Mir ist es eine Herzensangelegenheit“, sagt er. Der sich wünscht, das jede und jeder einen Platz findet, nicht nur im GleichArt Café.